Malve, Iris, Orchidee

Wissenschaftliche Pflanzendarstellung durch die Jahrhunderte

  • Wissenschaftliche Illustration –
27. Februar 2017
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Die Ästhetik wissenschaftlicher Darstellungen von Pflanzen und Blumen begeistert. Früher wie heute scheinen heimische oder exotische Gewächse dank teils perfekter illusionistischer Darstellungen zum Greifen nah. Zeichnungen, Fotografie, Mikroskopie und computergestützte Visualisierungen machen im Zuge technischen Fortschritts die Schönheit botanischer Details in immer weiteren Facetten sichtbar.

In der Geschichte der ETH Zürich und den Dokumenten und Bildern der ETH-Bibliothek trifft man auf zahlreiche Spuren, die die Entwicklung wissenschaftlicher Darstellung im Laufe der Zeit nachvollziehbar machen. Sie zeigen, welch grossen Einfluss Urheber, Auftraggeber und Anwender dieser Darstellungen bis heute auf das allgemeine Verständnis der Natur haben. Auch in der modernen Ausbildung wissenschaftlicher Illustratorinnen und Illustratoren spiegeln sich diese Einflussfaktoren wider. So beispielsweise im Lehrgang Knowledge Visualization an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK).

Seit der Renaissance hat die Botanik ihr Repertoire an Visualisierungstechniken laufend erweitert, die heute nebeneinander Anwendung finden. Vorläufer moderner technischer Verfahren wie Fotografie, Mikroskopie oder 3D-Visualisierungen waren zunächst manuell gefertigte Zeichnungen.

Kräuterbücher der Renaissance – Auf der Suche nach der idealtypischen Darstellung

Die Erfindung des Buchdrucks bot Medizinern der Renaissance wie Leonhart Fuchs und Otto Brunfels neue Möglichkeiten. Erfolgreich veröffentlichten sie auf Basis antiker Texte das Wissen des 16. Jahrhunderts über Heilpflanzen in so genannten Kräuterbüchern und trieben so die Pflanzenkunde voran.

Autorenportrait von Leonhart Fuchs im Alter von 42 Jahren
Fuchs, Leonhart: New Kreuterbuch, 1563, Rückseite Titelblatt
Portraits von Heinrich Füllmaurer und Albrecht Meyer, den Pflanzenillustratoren von Leonhart Fuchs
Fuchs, Leonhart: New Kreuterbuch, 1563, ohne Paginierung

In diesen Büchern ergänzten die „Väter der Botanik“ die textlichen Beschreibungen von Pflanzen systematisch mit entsprechenden Illustrationen. Diese Praxis war jedoch nicht unumstritten: Einer ihrer Gegner war der deutsche Arzt Janus Cornarius. Er wies darauf hin, dass ein Abbild lediglich eine spezifische Pflanze zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort zeige. Daher sei es für eine allgemeingültige Bestimmung einer ganzen Art nicht geeignet.

Seither werden in wissenschaftlichen Illustrationen Pflanzenarten in einer durch Abstraktion und Konstruktion erreichten idealtypischen Form repräsentiert. Es wird nicht einfach eine einzelne Pflanze abgezeichnet, sondern ein abstrahierter – aber naturgetreu wirkender – Modellfall dargestellt.

Dieser angestrebten Natürlichkeit der Pflanzendarstellung in den Kräuterbüchern der Renaissance war durch die Technik des Holzschnittes jedoch noch enge Grenzen gesetzt.

Das erste Kräuterbuch von Leonhart Fuchs erschien 1542 unter dem Titel De Historia Stirpium commmentarii insignes mit über 500 Pflanzendarstellungen. In lateinischer Sprache richtete es sich an ein gelehrtes Fachpublikum. Die populäre deutsche Fassung des New Kreuterbuch wurde 1563 veröffentlicht. Einige Exemplare, wie jenes der ETH-Bibliothek, wurden handkoloriert.

Ammey [Ammi majus, Grosse Knorpelmöhre], handkoloriert
Fuchs, Leonhart: New Kreuterbuch, 1563, Abbildung 38
Wegwarte [Cichorium intybus], handkoloriert
Fuchs, Leonhart: New Kreuterbuch, 1563, Abbildung 387
Enzian [Gentiana lutea, Gelber Enzian], handkoloriert
Fuchs, Leonhart: New Kreuterbuch, 1563, Abbildung 111

Gartenbücher – Prachtbände vermögender Auftraggeber

Dank Kupferstichen konnten bald viel detailreichere Darstellungen erzielt und gedruckt werden. Doch der immer grössere Aufwand für Illustrator und Kupferstecher sowie den Druck liess auch die Produktionskosten für illustrierte botanische Werke steigen. Zahlreiche Prachtbände konnten überhaupt nur mit Hilfe vermögender Auftraggeber erstellt und herausgegeben werden.

Dazu gehört der 1613 erschienene „Hortus Eystettensis“ von Basilius Besler. Darin werden die über 1‘000 europäischen und exotischen Kulturpflanzen aus dem repräsentativen Garten dargestellt, den Fürstbischof Johann Konrad von Gemmingen um 1600 bei der Eichstätter Willibaldsburg anlegen liess. Der Fürstbischof kam auch für die Kosten der Publikation auf, die viel zur Bekanntheit seines Gartens beitrug und in mehreren Ausgaben erschien.

Bastionsgarten der Willibaldsburg in Eichstätt, 1998 mit Pflanzen aus dem Hortus Eystettensis rekonstruiert
Foto: Albert Jost, © Bayerische Schlösserverwaltung
www.schloesser.bayern.de
Iris Florentina, Iris Calcedonica latifolia und Iris Illyrica [Schwertlilien]
Besler, Basilius: Hortus Eystettensis, 1713, ohne Paginierung
Acanthus Spinosus, Scorpioides Maior tertia und Scorpioides Minor tertia [Bärenklau und Vergissmeinnicht]
Besler, Basilius: Hortus Eystettensis, 1713, ohne Paginierung

Ein anderer Garten, der „Hortus Cliffortianus“ im niederländischen Hartekamp, ist Namensgeber des 1737 erschienen Werkes von Carl von Linné. Der berühmte Naturforscher katalogisierte darin die heimischen und exotischen Pflanzen im Garten und Herbar seines Förderers George Clifford. Die von Linné vorgenommene klare Trennung zwischen Namensgebung und Systematik von Pflanzen wirkt in der Biologie bis heute nach.

Carl von Linnés detailbasierte Systematik stellte hohe Anforderungen an die Präzision wissenschaftlicher Illustrationen. Er arbeitete daher unter anderem mit Georg Dionysius Ehret zusammen, einem der erfolgreichsten Pflanzenmaler des 18. Jahrhunderts.

Turnera e petiolo florens, foliis seratis [Safranmalve]
Linné, Carl von: Hortus Cliffortianus, 1737, Tafel X
Dolichos caule perenni lignoso [wahrscheinlich: Dolichos lablab = Lablab purpureus, Helmbohne]
Linné, Carl von: Hortus Cliffortianus, 1737, Tafel XX

Die Flora ganzer Länder in Ordnungssystemen

Beeinflusst von der Arbeit Linnés wurden Ordnungssysteme genutzt, um nicht nur künstlich in Gärten zusammengetragene Sammlungen von Pflanzen zu beschreiben, sondern auch die Flora ganzer Länder systematisch zu ordnen und zu illustrieren.

So publiziert Niklaus Joseph von Jacquin, Direktor des Botanischen Gartens der Universität Wien und der kaiserlichen Gärten rund um das Schloss Schönbrunn, 1773 bis 1778 das fünfbändige Werk „Florae austriacae“. 1 Fünfhundert aufwändige Farbtafeln illustrieren diese Flora des Herzogtums Österreich.

Der Botaniker und Zoologe Ludwig Reichenbach brachte ab 1837 das ebenfalls mehrbändige aber nach eigener Systematik aufgebaute Werk „Deutschlands Flora: mit höchst naturgetreuen, charakteristischen Abbildungen aller ihrer Pflanzen-Arten in natürlicher Grösse und mit Analysen auf Kupfertafeln“ heraus. 2

Im Vergleich zu diesen und anderen äusserst aufwändigen nationalen Monumentalwerken aus der Blütezeit der illustrierten botanischen Werke nimmt sich die um 1840 erschienene, kleinformatige „Sammlung von Schweizer Pflanzen“ eher bescheiden aus. 3 Die ersten Teillieferungen des Werkes gab der Lithograf Jonas David Labram allein heraus. Bald aber wurde er durch den Botaniker und Arzt Johannes Hegetschweiler unterstützt.

Die Schönheit Schweizer Äpfel und Birnen

Obwohl die aufwändigsten illustrierten Werke in anderen Ländern erschienen, gab es doch auch in der Schweiz botanische Auftragswerke mit nationaler Ausrichtung, wissenschaftlichem Anspruch und qualitativ hochstehenden Illustrationen. Das belegt etwa das zweibändige, vom Schweizerischen Landwirtschaftlichen Verein zwischen 1863 und 1872 herausgegebene Werk „Schweizerische Obstsorten“.

Im Vorwort dieser Publikation über Schweizer Äpfel- und Birnensorten und die Charakteristik ihrer bildlichen und textlichen Beschreibung sind auch Anforderungskriterien für Illustrationen und Text formuliert:

Die möglichst naturgetreuen Abbildungen […] stellen in natürlicher Grösse dar:

  1. Die Seitenansicht einer Mittelfrucht mit Kelch, von der Sonnenseite.
  2. Einen Längsschnitt […].
  3. Einen reifen, beblätterten Zweig […]. Der Verlauf des Blattnervennetzes […] ist jeweilen auf einem Zweigblatte nach photographischer Aufnahme genau wieder gegeben.

Der kurz und möglichst genau gehaltenen Text enthält:

  1. Den systematischen oder […] den Lokalnamen der Sorte […].
  2. Die Abstammung und die Verbreitung der Sorte in der Schweiz.
  3. Die Beschreibung der Gestalt und der Grösse der Frucht […].
  4. Die Angaben über die Benutzung der Früchte. 4

— „Schweizerische Obstsorten“, 1863

Mit der Ausführung der Zeichnungen beauftragte der Verein den Schweizer Maler und Illustrator Salomon Bühlmeier (1814-1876). Begleitet wurde die Publikation durch eine für diesen Zweck eingesetzte Kommission unter Leitung von Johann Jakob Kopp, Professor für Forstwirtschaft am damaligen Eidgenössischen Polytechnikum, der heutigen ETH Zürich.

Wahrscheinlich ist es dieser Verbindung zu verdanken, dass die Originalzeichnungen bei Projektabschluss der ETH Zürich übergeben wurden. 5 Dies entsprach der verbreiteten Tradition, wissenschaftliche Originalzeichnungen Institutionen wie Museen, Botanischen Gärten oder Hochschulen zu übergeben, um sie zugleich der Wissenschaft zugänglich zu machen und der Nachwelt zu erhalten.

Die prähistorische Pflanzenwelt der Schweiz – Vom Fossil zum Ölbild

Während Prof. Kopp die Bestandsaufnahme zeitgenössischer Schweizer Obstsorten wissenschaftlich begleitete, richteten zwei seiner Hochschulkollegen – der Botaniker Oswald Heer und der Geologe Arnold Escher von der Linth – ihr Interesse auf die Pflanzen der Vergangenheit. Sie erforschten die prähistorische Flora der Schweiz.

Eine zentrale Rolle spielten dabei Fossilien, die im süddeutschen Öhningen entdeckt worden waren. Im 18. Jahrhundert wurden diese Fossilienfunde noch als Zeugen der Sintflut interpretiert. Heer und Escher hingegen suchten Mitte des 19. Jahrhunderts in Öhningen systematisch nach weiteren Fossilien, legten eine Sammlung an und werteten diese wissenschaftlich aus.

Acer trilobatum (Sternberg) Braun [Ahorn]
Fossile Pflanze aus Öhningen, Miozän
Erdwissenschaftliche Sammlungen der ETH Zürich, Sammlung Heer
Acer trilobatum (Sternberg) Braun [Ahorn]
Zeichnung der fossilen Pflanze aus Öhningen
Heer, Oswald: Flora Tertiaria Helvetiae = Die Tertiäre Flora Der Schweiz, 1855-1859, Bd. 3, Tafel 115, Fig. 4
Flabellaria oeningensis Heer [Fächerpalme]
Fossile Pflanze aus Öhningen, Miozän
Erdwissenschaftliche Sammlungen der ETH Zürich, Sammlung Heer
Flabellaria oeningensis Heer [Fächerpalme]
Zeichnung der fossilen Pflanze aus Öhningen
Heer, Oswald: Flora Tertiaria Helvetiae = Die Tertiäre Flora Der Schweiz, 1855-1859, Bd. 3, Tafel 148, Fig. 10
Juglans acuminata Braun [Nussbaum]
Fossile Pflanze aus Öhningen, Miozän
Erdwissenschaftliche Sammlungen der ETH Zürich, Sammlung Heer
Juglans acuminata Braun [Nussbaum]
Zeichnung der fossilen Pflanze aus Öhningen
Heer, Oswald: Flora Tertiaria Helvetiae = Die Tertiäre Flora Der Schweiz, 1855-1859, Bd. 3, Tafel 128, Fig. 3

Zentrale Ergebnisse veröffentlichte Heer im dreibändigen Werk „Flora tertiaria Helvetiae. Die tertiäre Flora der Schweiz“ (1855-1859). Auf über 150 Tafeln wurden darin zahlreiche Pflanzenfossilien aus Öhningen zeichnerisch dokumentiert. Explizit erläutert Heer, weshalb er sich als Methode der Darstellung für die Zeichnung und gegen die Fotografie entschieden hatte:

Die Bilder sind zum kleineren Theil von meiner Hand gefertigt; die meisten hat ein geschickter Zeichner, Herr Brugier, auf meinem Zimmer und unter meiner speciellen Aufsicht, ausgeführt. […] Die Photographie und Naturdruck konnte ich für meinen Zweck nicht in Anwendung bringen. Die Photographie giebt das feinere Geäder nicht, oder doch nicht in der erforderlichen Schärfe und der Naturdruck lässt uns in den so häufigen Fällen im Stich, wo die Contouren und Geäder nur durch zarte, […] Linien […] angedeutet sind. Ueberdies steht bei beiden Darstellungsweisen entgegen, dass die Blätter häufig manigfach verbogen sind und nicht selten das Bild durch der Pflanze ganz fremde Gegenstände verwirrt und getrübt wird. Durch die Handzeichnungen können alle diese zufälligen Bildungen weggelassen, das charakteristische dagegen kann schärfer hervorgehoben werden […]. 6

— Oswald Heer, 1855

Die Visualisierung der Funde und Befunde von Öhningen ging in einem nächsten Schritt aber weit über die Arbeit eines „geschickten Zeichners“ hinaus. Die wissenschaftlichen Ergebnisse zur Pflanzen- und Tierwelt Öhningens waren so dicht, dass sie zu einer visuellen Gesamtrekonstruktion einluden.

Das erreichte der Maler Adolf Rudolf Holzhalb in seinem grossformatigen Ölgemälde „Öhningen im Miozän vor etwa 13 Millionen Jahren“ von 1871.

Öhningen am Bodensee zur Zeit der oberen Süsswassermolasse (Miozän)
Ölbild von Adolf Rudolf Holzhalb, 1870–71

Auf der Basis der Arbeiten von Heer und Escher von der Linth entstand hier keine fantastische urzeitliche Ideallandschaft, sondern ein durch den damaligen Stand der Wissenschaft untermauertes Lehrbild. Auf dem Gemälde, das heute im Lichthof des NO-Gebäudes der ETH Zürich 7 zu sehen ist, können zum Beispiel Fächerpalmen und zahlreiche weitere Pflanzen identifiziert und mit den in den Erdwissenschaftlichen Sammlungen noch heute erhaltenen und damit untersuchbaren Fossilien in Verbindung gebracht werden. Ganz ging dabei aber die künstlerische Freiheit nicht verloren. Über die auffälligen Mastodons in der Bildmitte schreibt Heer:

Aber auch das gewaltigste Tier damaliger Zeit, das elephantenartige Mastodon (M. tapiroides) erscheint in dem Öhninger Haine. Zwei derselben lässt der Künstler auf einer Landzunge bis zum Wasser vorrücken, während ein drittes sich in des Waldes Dickicht zurückzieht. 8

— Oswald Heer, 1871

Fotografie oder Zeichnung? – Eine langjährige Diskussion

Das Medium Fotografie forderte schon kurz nach seiner Erfindung im 19. Jahrhundert die lange Tradition der zeichnerischen Pflanzenillustration heraus. Das zeigen auch die Ausführungen Oswald Heers. Es stellte sich die Frage, ob die Fotografie die aufwändige Zeichnung ersetzen könnte.

Die Fotografie ist im Nachteil, wenn von der individuellen Pflanze losgelöste und generalisierte Merkmale visuell zum Ausdruck gebracht werden sollen. Die beiden ETH Professoren Hans Ernst Hess und Elias Landolt formulierten dies in ihrem dreibändigen, über 2‘500 Seiten starken Standardwerk „Flora der Schweiz und angrenzender Gebiete“ so:

Die Zeichnungen hat Frau Rosmarie Hirzel nach Herbarmaterial oder lebenden Pflanzen angefertigt. Sie sind ein wichtiger Bestandteil unserer „Flora“; denn gute Zeichnungen geben die äussern Merkmale einer Art anschaulicher und besser wieder als noch so ausführliche Beschreibungen. Einzig dort, wo die charakteristischen Merkmale durch Strichzeichnungen nicht erfasst werden können (Farben, Glanz), wird auf Abbildungen verzichtet […] zudem sind oft Einzelheiten, die für die Systematik wichtig sind (z.B. Früchte, Behaarung), vergrössert abgebildet. […] An den Zeichnungen ist manches lehrbuchmässig schematisiert: Wesentliches ist hervorgehoben. Hätte man durch Photos dasselbe Ziel erreichen wollen, so wäre der Aufwand untragbar gross geworden. 9

— Hans Ernst Hess, Elias Landolt, 1976
Torilis nodosa Halleri [Knotige Borstendolde], Torilis japonica, [Wald-Borstendolde], Torilis arvensis [Feld-Borstendolde], Torilis Anthriscus [Gewöhnlicher Klettenkerbel]
Hess, Hans Ernst; Landolt, Elias; Hirzel, Rosmarie: Flora der Schweiz und angrenzender Gebiete, 2., Aufl., 1976, Bd. 2, S. 802
Bidens decipiens [Täuschender Zweizahn], Bidens cernua, [Nickender Zweizahn], Bidens bullata [Blasiger Zweizahn], Bidens radiata [Strahlender Zweizahn], Bidens tripartita [Dreiteiliger Zweizahn]
Hess, Hans Ernst; Landolt, Elias; Hirzel, Rosmarie: Flora der Schweiz und angrenzender Gebiete, 2., Aufl., 1976, Bd. 3, S. 511
Festuca Halleri [Hallers Schwingel], Festuca stenantha [Schmalblütiger Schwingel], Festuca rupicaprina [Gämsen-Schwingel], Festuca alpina [Alpina-Schwingel]
Hess, Hans Ernst; Landolt, Elias; Hirzel, Rosmarie: Flora der Schweiz und angrenzender Gebiete, 2., Aufl., 1976, Bd. 1, S. 357

Dieselben Schwarz-Weiss-Strichzeichnungen, die heute im Original im Hochschularchiv der ETH Zürich aufbewahrt werden, wurden auch für den in der Fachwelt beliebten und feldtauglichen „Bestimmungsschlüssel zur Flora der Schweiz und angrenzender Gebiete“ (H. E. Hess, E. Landolt, M. Hirzel, M. Baltisberger) verwendet. Dieses Standardwerk erschien 2015 bereits in seiner siebten Auflage. Wegen ihrer didaktischen Klarheit wurden dieselben Zeichnungen auch im an der ETH Zürich verwendeten Lehrbuch zur „Systematischen Botanik“ aufgenommen. 10 Parallel zur Fotografie behaupten sich somit Zeichnungen bis heute erfolgreich als wissenschaftliche Illustrationen.

Natürlich hat aber die Fotografie längst Einzug in das Gebiet der wissenschaftlichen Pflanzenillustration gehalten. Dies zeigt zum Beispiel der Bildbestand des geobotanischen Instituts der ETH Zürich aus den Jahren 1880 bis ca. 1960 im Bildarchiv der ETH-Bibliothek: Biologen nutzten die Fotografie schon früh intensiv, um Pflanzen aus aller Welt bildlich festzuhalten.

Am effizientesten scheint die Fotografie dort, wo sie genutzt wird, um eine Pflanzenfamilie möglichst umfassend im Bild zu dokumentieren. Ein Beispiel dafür ist die Dokumentation europäischer Orchideen von Hans R. Reinhard (1919–2007). Reinhard unternahm ab den 1960er Jahren nebenberuflich viele Forschungsreisen durch Europa und machte dabei mehr als 20‘000 Aufnahmen von Orchideen. Er fotografierte in der Regel mehrere individuelle Pflanzen einer Art, um eine breite und möglichst repräsentative Bildbasis zu schaffen. Zudem entstanden hierbei sowohl Bilder der ganzen Orchidee als auch Makroaufnahmen von Details.

Orchis simia (Affenorchis). Aufnahme eines Blütenstandes
Fotografie von Hans R. Reinhard, 1979 (E-Pics Tiere, Pflanzen und Biotope, HR_10755)
Orchis simia (Affenorchis). Nahaufnahme eines Blütenstandes
Fotografie von Hans R. Reinhard, 1979 (E-Pics Tiere, Pflanzen und Biotope, HR_14329)
Orchis simia (Affenorchis). Detailaufnahme einer Blüte
Die Unterlippe in Gestalt eines Äffchens gab der Orchidee ihren Namen.
Fotografie von Hans R. Reinhard, 1973 (E-Pics Tiere, Pflanzen und Biotope, HR_07061)

Diese Fotografien bilden aber nur ein Element der Orchideen-Dokumentation von Reinhard. Seine Beobachtungen und Erkenntnisse hielt er auch in Form von rund 1‘800 Pflanzen- und Blütenanalysen fest. Dazu gehören über 500 Blütenanalysen, die in Diarahmen montiert wurden. Die gesamte Orchideen-Dokumentation gelangte über das Geobotanische Institut der ETH Zürich in die Archive der ETH-Bibliothek. 11

Jenseits der Sichtbarkeit – Pflanzliche Mikrostrukturen im Bild

In der Darstellung pflanzlicher Mikrostrukturen spielen heute diejenigen Bilder eine entscheidende Rolle, die mit Elektronenmikroskopen erzeugten werden. Bereits die Erfindung des Lichtmikroskops im 17. Jahrhundert ermöglichte aber erstmals Einblicke in die innere Struktur von Pflanzen.

Publikationen wie Nehemia Grews „The Anatomy of Plants“ von 1682 enthalten gezeichnete Detailansichten, die mit Hilfe eines Mikroskops erstellt wurden. 1764 widmete Johann Christoph Keller in seinem Werk „Das neueste aus dem Reiche der Pflanzen“ einem neu entwickelten Universalmikroskop ein eigenes, reich illustriertes Kapitel. 12 Trotz laufender Verbesserungen in der Optik blieben aber die kleinsten Strukturen von Pflanzen bis weit ins 20 Jahrhundert für das Auge unsichtbar.

An der ETH Zürich erforschte daher Albert Frey-Wyssling (1900–1988), Professor für allgemeine Botanik und Pflanzenphysiologie, in den 1930er Jahren die submikroskopischen Strukturen von Pflanzen mit indirekten Methoden. Durch die Analyse von Brechungen entwickelte er etwa Modelle – und Zeichnungen – des inneren Aufbaus von Zellwänden.

Ultrastruktur von Zellen in Zeichnung und Elektronenmikrografie
Optische Beweisführung Albert Frey-Wysslings: Die gezeichnete, indirekt erschlossene Mikrostruktur (links) entspricht sichtbar ihrer Visualisierung im Elektronenmikroskop (rechts). Frey-Wyssling, Albert. Lehre und Forschung: Autobiographische Erinnerungen, 1984, S. 108

Um seine Forschungen auf diesem Gebiet weiter voranzutreiben, engagierte sich Frey-Wyssling stark in der Entwicklung des Elektronenmikroskops. Ab 1944 baute er am Institut für Allgemeine Botanik der ETH Zürich das erste Labor für Elektronenmikroskopie der Schweiz auf. Mit Genugtuung stellt Frey-Wyssling fest, dass die auf technischem Weg erzeugten Bilder aus dem neuen Gerät die visuelle Bestätigung seiner bisherigen Forschung lieferten:

Es war klar, dass Spekulationen der erwähnten [indirekten] Art nicht zur Anerkennung der submikroskopischen Morphologie führen konnten. Den grossen Durchbruch brachte erst die Elektronenmikroskopie. Sie zeigte die Richtigkeit des Stäbchenmodells der Zellwände und des Schichtmodells der Chloroplasten, worauf diese durch indirekte Methoden erschlossenen Strukturen schlagartig als richtig galten, weil „man sie nun sehen konnte“. 13

— Albert Frey-Wyssling, 1984

3D-Visualisierungen und Konfokalmikroskopie: Möglichkeiten moderner Technik

Im Zuge der Digitalisierung wird die Wissensvermittlung im 21. Jahrhundert zunehmend visuell attraktiver, narrativer und schneller. Etablierte Darstellungstechniken werden durch die Ansprüche spezialisierter Forschung weiterentwickelt. Experimentiert wird dabei auch mit neuen Methoden der Darstellungsart von Pflanzen. Es werden Fachsoftware, Web-Anwendungen oder interaktive Darstellungen eingesetzt, um wissenschaftliche Erkenntnisse abzubilden. Besonders beliebt sind hierbei animierte Bilder, deren Ausgangspunkt beispielsweise mikroskopische Aufnahmen oder 3D-Modelle sind, die dynamische Vorgänge im Inneren und Äusseren von Pflanzen sichtbar machen. Interaktive 3D-Visualisierungen sind die jüngste Erweiterung im Portfolio der wissenschaftlichen Pflanzenillustration.

Amorphophallus titanium (Titanwurz )
3D-Visualisierung, Alessandro Holler, Forschungsgruppe Knowledge Visualization der ZHdK, 2016
Arabidopsis thaliana (Acker-Schmalwand)
Konfokalmikroskopie: mit Propidiumiodid eingefärbte Wurzelzellen, © Bojan Gujas (2017)
Nigella damascena (Jungfer im Grünen)
Elektronenmikroskopie (FEI Magellan 3 kV), SCOPEM, ETH Zürich
Projekt "Klimagarten 2085" (Zurich-Basel Plant Science Center)
Kunstfotografie Nina Mann, 2016
Gräser, Projekt "Klimagarten 2085" (Zurich-Basel Plant Science Center)
Zyanotypie, Juanita Schläpfer-Miller, 2016
Pflanzenwissenschaft
Illustration, ©Gaia Codoni (2014)

Über Lehre und Forschung hinaus spielen die modernen Methoden jedoch auch in der immer wichtiger werdenden Wissenschaftskommunikation eine bedeutende Rolle. Visuelle Attraktivität trug und trägt dazu bei, neben Fachkreisen auch ein breiteres Publikum zu erreichen und komplexe Zusammenhänge für jeden nachvollziehbar zu machen. Dabei bedient man sich einer wachsenden Palette an Visualisierungsformen, die sich oftmals auch an der Schnittstelle zum künstlerischen oder gestalterischen Schaffen bewegen.

Der über die Jahrhunderte bis heute anhaltende Austausch zwischen Akteuren aus Wissenschaft, Technologie, Kunst und Design wird die spannende Entwicklung der Palette an Visualisierungsmöglichkeiten auch in Zukunft fortschreiben. Dies gilt nicht nur im Bereich der Pflanzenillustrationen, sondern für wissenschaftliche Visualisierungen ganz allgemein.

Fussnoten

  1. Jacquin, Niklaus Joseph von: Florae austriacae sive plantarum selectarum in Austriae archiducatu sponte crescentium icones, Wien: typis Leopoldi Joannis Kaliwoda, 1773-1778. ↩︎
  2. Reichenbach, Ludwig: Deutschlands Flora : mit höchst naturgetreuen, charakteristischen Abbildungen aller ihrer Pflanzen-Arten in natürlicher Grösse und mit Analysen auf Kupfertafeln als Belege für die Flora Germanica Excursoria, Leipzig: Friedrich Hofmeister, 1837-1867. ↩︎
  3. Labram, Jonas David; Hegetschweiler, Johannes: Sammlung von Schweizer Pflanzen nach der Natur und auf Stein gezeichnet, Zürich: Esslinger, o. D. ↩︎
  4. Schweizerischer Landwirtschaftlicher Verein (Hg.): Schweizerische Obstsorten, o. O.: Schweizerischer Landwirtschaftlicher Verein, 1863, Bd. 1, Vorwort. ↩︎
  5. Schweizerischer Landwirtschaftlicher Verein (Hg.), Schweizerische Obstsorten, o. O.: Schweizerischer Landwirtschaftlicher Verein, 1863, Bd. 2, Schlusswort. ↩︎
  6. Heer, Oswald: Flora Tertiaria Helvetiae = Die Tertiäre Flora Der Schweiz, Winterthur: Verlag der Lithographischen Anstalt von J. Wurster & Compagnie, 1855-1859, Bd. 1, vi. ↩︎
  7. https://www.google.ch/maps/place/focusTerra/@47.3785812,8.54503,17z/data=!3m1!4b1!4m5!3m4!1s0x479aa0a6ff9ea61d:0x9f67ca71c5f885dc!8m2!3d47.3785776!4d8.5472187 ↩︎
  8. https://www1.ethz.ch/collections.erdw/sammlung/geol/geol_historisch/heer_folder/Ohningen_im_Miozan.pdf ↩︎
  9. Hess, Hans Ernst; Landolt, Elias; Hirzel, Rosmarie: Flora der Schweiz und angrenzender Gebiete, zweite, durchgesehene Aufl., Basel: Birkhäuser, 1976, Bd. 1, S. 15. ↩︎
  10. Baltisberger, Matthias; Nyffeler, Reto; Widmer, Alex: Systematische Botanik. Einheimische Farn- und Samenpflanzen, vierte Aufl., Zürich: v/d/f, 2013. ↩︎
  11. Seit Mai 2016 ist diese umfangreiche blütenbiologische Sammlung zugänglich: Die Pflanzenanalysen auf der Plattform e-manuscripta und die Farbdias im Katalog ETH E-Pics Tiere, Pflanzen und Biotope. Die noch grössere Bildersammlung europäischer Orchideen von Peter Gölz, der oft gemeinsam mit Hans Reinhard auf Expeditionen war, wurde 2016 der ETH-Bibliothek übergeben und wird dort ebenfalls zugänglich gemacht. ↩︎
  12. Keller, Johann Christoph; Gleichen-Russwurm, Wilhelm Friedrich von: Das neueste aus dem Reiche der Pflanzen, Nürnberg: Gedruckt bei Christian de Launoy seel. Erben, 1764, S. 9ff. ↩︎
  13. Frey-Wyssling, Albert. Lehre und Forschung: Autobiographische Erinnerungen. Band 44. Grosse Naturforscher. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 1984, S. 87–88. ↩︎

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